Eine Reportage von Rafael Binkowski

veröffentlicht am 02.08.2004
in der Schwäbischen Post



Zwölf Meter hoch, 100 Meter runter:
Hier wird nach Erdwärme gebohrt,
das Ehepaar Haker und Architekt Schmid
schauen zu. (Foto: bin)

 

 


Architekt Axel Schmid erklärt's: Hier kommt
der Schlamm aus dem Loch heraus.
(Foto: bin)

 

 

ERDWÄRME

Um Erdwärme zu gewinnen, wird in Unterrombach 100 Meter tief in den Boden gebohrt

Wie ein Kühlschrank, nur umgekehrt

 

Immer tiefer gräbt sich der Bohrer ins Erdreich. Fräst sich durch Felsen, durchdringt Wasserschichten und fördert Schlamm zutage. In das Loch kommt dann ein Rohr mit Flüssigkeit, durch die das Haus von Inge und Andreas Haker beheizt wird. Ökologisch und ökonomisch vorbildlich.

 

Gut zwölf Meter hoch ist die Konstruktion der Firma Baugrund Süd aus Bad Wurzach: Ein filigranes Gestänge ragt in die Luft. Der Motor des großen Lasters rattert unaufhaltsam, lässt den Bohrkopf drehen, damit der sich noch tiefer eingraben kann. "Das ist ein Hilti-Hammer", erklärt der Bohrhelfer Adreas Schiller im Blaumann, "der funktioniert im Prinzip wie eine Bohrmaschine." Nur in etwas größeren Dimensionen, versteht sich. Steht man vor der großen Maschine mit den vielen Konsolen und Schaltern, kann man sich nur schwer vorstellen, dass hier schon ein 40 Meter tiefes und zwölf Zentimeter dickes Loch gegraben wurde. Doch dann entweicht mit einem lauten Zischen Luft aus der Anlage, das Gestänge in der Mitte hört auf sich zu drehen. Eine Plattform fährt hoch, und ein Bauarbeiter schraubt ein neues, zehn Meter langes Metallrohr an. "Der Bohrkopf muss wieder ein Stück tiefer runter", erklärt Rainer Schiller. Dann geht's weiter, Meter um Meter. Felsig sei der Grund, aber es gebe auch wasserführende Schichten, meint Schiller. Durch schwarze Schläuche wird das herausgetragene Material abtransportiert. Mit einem sprühenden Geräusch spritzt der graue Schlamm in den Container, Reste des Gesteins in Unterrombach. "Das sind die Ausläufer der Alb", meint der Abtsgmünder Architekt Axel Schmid mit kritischem Blick. Durch Schmid sind die Bauherren Inge und Andreas Haker überhaupt auf die Idee gekommen, mit Erdwärme zu heizen. "Wir wollten unabhängig sein von Öl und Gas", sagt Inge Haker, "uns ist der ökologische Aspekt sehr wichtig." Das noch unverputzte Haus wird dann ohne konventionellen Kraftstoff beheizt. Dazu kommen noch Solarkollektoren auf dem Dach, die Brauchwasser erhitzen. Während Schmid mit den beiden Richtung Bohrloch läuft, erklärt er das Prinzip. "Im Erdreich herrschen konstant zehn Grad", sagt der Architekt. Die Flüssigkeit wird durch die Rohre hundert Meter tief in den Boden gepumpt und wieder zurück. Auf dem langen Weg nach oben wird der Erde Wärme entzogen, die über einen Wärmetauscher dann in den Kreislauf der Niedrig-Energieheizung des Hauses übertragen wird. "So hat es wohlig warme 35 Grad in den Räumen", sagt Schmid, "das funktioniert quasi genau umgekehrt wie ein Kühlschrank." Unterdessen wird das Rattern des Bohrers lauter. "Man hört, dass er auf Stein trifft", sagt Rainer Schiller. Um sich eine Vorstellung vom Bohrkopf zu machen, zeigt Schiller den Ersatz auf dem Laster: Dicke Stangen mit 12,5 Zentimetern Durchmesser, vorne ein kantiges Ende mit Zentimeterdicken Noppen. Für die ersten zehn Meter gibt es eine Schutz-Ummantelung, weil das Erdreich hier sehr locker ist. Auch für dieses Rohr liegt eins in Reserve auf dem Laster, falls das Original kaputt geht. Schiller: "Das ist alles schon mal passiert." Ist das Loch fertig, kommt ein viergeteilter, schwarzer Plastikschlauch hinein. Durch den läuft dann das Kühlmittel, das die Wärme aufnimmt und ins Haus trägt. Zu dem Schlauch werden Betonit und Zement geschüttet, der aber nicht fest werden darf. Schiller: "Das muss elastisch sein wie Kaugummi." Die Hakers sind nicht die ersten, die diesen Weg beschreiten. "Ich hatte schon ähnliche Projekte in Abtsgmünd und Fachsenfeld", berichtet Axel Schmid. Zwar müssen die Unterrombacher rund 12 000 Euro für die Bohrung und die Erdsonde ausgeben, doch amortisiert sich dieser Betrag recht schenll: "Nach sechs Jahren rechnet sich das." Denn die Heizung für Öl und Gas können sie sich sparen, und die Anlage läuft dann auf Jahrzehnte praktisch ohne Wartung. Wieder entweicht die herunter gepumpte Luft aus dem Rohrsystem, die Arbeiter schieben ein weiteres Stangenteil nach. Der Bohrkopf hat sich unermüdlich weiter in den Untergrund gefressen. "Heute Abend sind wir fertig", sagt Rainer Schiller. Einen Tag für 100 Meter nach unten, keine schlechte Bilanz. Für die Bauarbeiter indes nur Routine: "Der Boden in Unterrombach ist wenig spektakulär." Für den Laien ist das Projekt dennoch beeindruckend.

 

© Schwäbische Post 02.08.2004